Zwangsprostitution

Freiwillige vs. unfreiwillige Prostitution

Kann man freiwillige Prostitution von Zwangsprostitution abgrenzen? In der öffentlichen Debatte zu Prostitution wird häufig zwischen der freiwilligen Prostitution und der Zwangsprostitution unterschieden. Auch der Begriff der Sexarbeit wird benutzt, um den Charakter der Freiwilligkeit und Eigenständigkeit zu betonen.

Inhaltsübersicht

Die Grenzen sind verschwommen

In der öffentlichen Debatte wird gerne zwischen freiwilliger Prostitution und Zwangsprostitution unterschieden. Auch rechtlich ist der Begriff Zwangsprostitution abgegrenzt.

In der alltäglichen Arbeit mit Aussteigerinnen erleben wir: Die Grenzen sind verschwommen und es ist kaum möglich, die Bereiche voneinander zu trennen. Wir erleben, dass die Biografien der Frauen in der sogenannten selbstständigen Prostitution durchaus Elemente von Zwang und Gewalt beinhalten. Momente, die den weiteren Weg prägen. Manche starten freiwillig und erleben Situationen von Ausbeutung und des “an Andere verkauft werdens”. Andere werden durch die Loverboy-Methode in die Prostitution gebracht, schaffen es irgendwann, sich davon zu lösen, bleiben aber aus diversen Gründen zunächst in der Prostitution.

Unserer Erfahrung nach wechseln sich in vielen Biografien Momente der Ausbeutung und Momente des eigenständigen Nachgehens der Prostitution ab. Da der Ausstieg aus dem Milieu kein leichter ist, bleiben nicht wenige Frauen selbstständig im Milieu, selbst wenn sie sich von Zuhältern lösen konnten.

Ist Prostitution freiwillig, wenn…

… jemand aus Armut und mangelnder Bildung heraus keine Alternative zum Überleben der eigenen Familie sieht, außer auf dem Straßenstrich anschaffen zu gehen?

… jemand in der Kindheit regelmäßig sexueller Gewalt ausgesetzt war und dadurch verinnerlicht hat, er sei wertlos und für nichts außer Sex zu gebrauchen?

… man durch einen Loverboy in die Prostitution geraten ist, sich schließlich von ihm lösen konnte und nun weiter anschafft, da das eigene Selbstbild durch die Manipulation so verändert wurde, dass man für sich selbst nichts Anderes mehr sieht?

… jemand sich zunächst eigenständig in die Prostitution begibt, dort aber aufgrund der Gewalt stark traumatisiert und dadurch unfähig wird, sich aus der Situation herauszulösen?

Zwangsprostitution und "freiwillige" Prostitution lassen sich kaum trennen

Wir erleben, dass es in den Biografien der Betroffenen immer wieder verschiedene Phasen in der Prostitution gibt: Phasen mit ausbeutenden Zuhältern und Phasen ohne. Momente, in denen man verkauft wird, Momente, in denen man selbst Entscheidungen trifft.

Wir sind daher überzeugt, dass es schwierig ist, Zwangsprostitution von freiwilliger Prostitution zu trennen. Beides hängt miteinander zusammen. Beides findet im gleichen Umfeld statt. Es gibt Personen, die sich freiwillig prostituieren, das wollen wir nicht bestreiten. Wichtiger ist uns, darauf hinzuweisen, dass Biografien von Personen in Prostitution häufig beide Elemente beinhalten und dass der Hauptteil von Prostitution in Deutschland unter Zwangslagen stattfindet. 

Und das find ich einfach schade wie viele Frauen im Milieu sich einfach umbringen, weil es denen nicht gut geht. Also, ich hab vier Freundinnen verloren, die sich umgebracht haben im Milieu. Weil sie einfach Zuhälter hatten, vor denen sie panische Angst hatten.
[…] Und deswegen finde ich, man sollte es einfach verbieten, weil ich kann zu 99% bestätigen, dass die Frauen es nicht freiwillig machen in den Läden.
Und jeder Freier, der immer zu den Prostituierten ins deutsche Bordell geht der denkt immer „boah, die Frau macht das freiwillig, die möchte das mit mir machen“ – nein, es ist nicht so. Die Frau wird zwar den Kunden reinnehmen, aber für die Frau ist das jedes Mal eine Vergewaltigung. Eine seelische Vergewaltigung, auch wenn man körperlich seinen Körper verkauft und die Leute denken „oh, das ist nicht so schlimm“, aber für die Seele ist das sehr schlimm.

Auch freiwillige Prostitution bedeutet Gewalt

Die relevante Frage der Diskussion um Prostitution ist nicht die Frage der Freiwilligkeit, sondern die Frage um das Wesen von Prostitution.

Das System Prostitution geht davon aus, dass es in Ordnung ist, den Körper einer anderen Person zu kaufen und dass es in Ordnung ist, die Sexualität des Anderen zu kaufen. 

Bei jeder Ausstiegsbegleitung in den letzten Jahren haben wir erlebt, dass Prostitution schwere Schäden bei der Person hinterlassen hat.

Körperliche Verletzungen und Verletzungen an der Seele. Die seelischen wiegen meist schwerer und benötigen mehr Zeit zum Heilen. Schwere Traumafolgestörungen sind weit verbreitet. Diese benötigen Jahre um verarbeitet zu werden. Die Schwere der Verletzung wird erst nach dem Ausstieg deutlich und zeigt aber ganz deutlich: Das, was Menschen in Prostitution erleben, ist Gewalt. Gewalt gegen ihre Würde, gegen ihren Körper, gegen ihre Seele.

Prostitution als System geht uns alle etwas an

Was macht es mit uns als Gesellschaft, wenn ein Geschlecht käuflich ist? Wenn Sexualität nicht mehr auf Beziehungsebene sondern auf Konsumebene verstanden wird? Was macht es mit einer Einzelnen Person, wenn ihre Sexualität käuflich ist? 

Diese Frage lässt sich kaum in wenigen Sätzen klären, wir verweisen an dieser Stelle auf Texte, die wir für relevant halten.

EU-Report zu den Auswirkungen von Prostitution auf die Gleichstellung der Geschlechter und der Feststellung, dass es sich bei Prostitution um Gewalt handelt: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2023-0240_DE.pdf 

Eine rechtliche und ethische Auseinandersetzung zur Prostitution: “Sexkauf – eine rechtliche und ethische Untersuchung”. Vorstellung des Gutachtens. – DIAKA – Deutsches Institut für angewandte Kriminalitätsanalyse 

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