Teil 3: Die systematische Manipulation von Bindung im Kontext von Organisierter Gewalt

In den ersten beiden Teilen unserer Reihe haben wir gesehen, wie Bindung in Ausbeutung und Menschenhandel wirkt, wie Trauma Coercive Bonding gestaltet ist und wie Bindung Heilung ermöglichen kann. Doch in manchen Fällen gehen Gewalt, Manipulation und Ausbeutung so tief, dass nicht nur das Vertrauen, sondern auch das Selbst aufgespalten wird. Organisierte Gewalt – etwa in Form von ritueller Gewalt mit systematischer Ausbeutung in Täternetzwerken – benutzt Bindung, bzw. Bindungstraumata, schon von frühester Kindheit an, um Persönlichkeiten zu formen, zu spalten und gefügig zu machen.

Was ist DIS im Kontext organisierter und ritueller Gewalt?

Die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) ist eine schwere Form der Traumafolgestörung. Bei Kindern, die regelmäßig und systematisch extremen traumatischen Erfahrungen ausgesetzt sind – insbesondere, wenn diese von Bindungspersonen ausgehen – wird das, was erlebt wird, innerlich abgespalten. In Strukturen organisierter oder ritueller Gewalt wird diese Dissoziation oft systematisch genutzt, um Opfer kontrollierbar zu machen. So entstehen unterschiedliche „Anteile“ mit jeweils eigenen Erinnerungen, Emotionen und Bindungserfahrungen.

Bindung in dissoziativen Identitäten

Nicht alle inneren Anteile haben dieselben Bindungserfahrungen. Einige erleben TäterInnen als vermeintliche Bezugspersonen, andere sehnen sich nach Zuwendung, wieder andere schützen die TäterInnen durch Loyalität oder Verleugnung. Bindung wird zu einem komplexen inneren Netzwerk widersprüchlicher Emotionen und Überlebensstrategien. Das erschwert nicht nur die therapeutische Arbeit, sondern auch den Ausstieg – denn während ein Anteil Freiheit sucht, fürchtet ein anderer den Verlust der „sicheren“ Bindung zu den TäterInnen.

Bindungsstile und ihre Prägung durch Gewalt

Kinder, die in gewaltvollen oder ausbeuterischen Kontexten aufwachsen, entwickeln häufig unsichere oder desorganisierte Bindungsstile. In einem Klima von Angst, Schmerz und inkonsistenter Fürsorge kann Nähe gleichzeitig als lebensnotwendig und gefährlich erlebt werden.
Im Kontext organisierter Gewalt wird diese Dynamik gezielt verstärkt: TäterInnen wechseln zwischen Fürsorge und Gewalt, Nähe und Entzug, um Verwirrung und Abhängigkeit zu erzeugen. So entsteht eine Bindungsprägung, die auf Überleben statt Vertrauen basiert.
Auch innerhalb dissoziativer Systeme zeigen sich oft verschiedene Bindungsstile nebeneinander – ein Anteil ist vermeidend, ein anderer überangepasst oder ängstlich-ambivalent. Für Fachkräfte bedeutet das, Bindung nicht als gleichförmige Erfahrung zu verstehen, sondern als ein Mosaik unterschiedlicher Beziehungsstrategien, die einst Leben gerettet haben.

Systematische Manipulation von Bindungsbedürfnissen

Täterstrukturen arbeiten systematisch mit Bindungsbedürfnissen von Betroffenen. Ob Manipulation der Wahrnehmung oder der gezielte Einsatz und Entzug von Bindung – verschiedene Methoden sollen Betroffene dahinführen, sich trotz all der erlebten Gewalt in der Tätergruppe sicher zu fühlen und alle Beziehungen außerhalb als gefährlich einzustufen. Bindung wird so zur Waffe – ein unsichtbares, aber hochwirksames Kontrollinstrument.

Therapeutische und pädagogische Ansatzpunkte

Traumainformierte und anteilsorientierte Therapie, sichere Bindungen zu Bezugspersonen, langfristige Stabilisierung und Schutzräume sind entscheidend. Ziel ist Kooperation zwischen Anteilen, Wiederherstellung von Selbstermächtigung und sichere, belastbare Bindungen in der Gegenwart. Die Erfahrung, dass Bindung nicht mehr mit Täuschung, Kontrolle und Schmerz verbunden ist, wird zu einem zentralen Heilungsfaktor.

Doch Heilung geschieht nicht allein im Therapieraum. Auch pädagogische Fachkräfte, SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen, BegleiterInnen und ehrenamtliche HelferInnen spielen eine entscheidende Rolle. Sie schaffen alltägliche Erfahrungen von Verlässlichkeit, Grenzen, Aushalten und echter Beziehung – Erfahrungen, die in der Kindheit, bzw. innerhalb der Täterstruktur, oft fehlten.

Hilfe für Menschen mit komplexer Dissoziation und organisierter Gewalterfahrung braucht Zeit, Beziehungskonstanz und ein Netzwerk, das Sicherheit verkörpert. Es geht nicht nur darum, Symptome zu behandeln, sondern Bindung neu zu lernen – durch Menschen, die bleiben, die glaubwürdig sind und die Freiheit in Beziehung leben.

Organisierte Gewalt nutzt Bindung zur Kontrolle – doch Heilung beginnt, wenn Bindung wieder zum sicheren Ort werden darf.
Freiheit entsteht dort, wo Beziehung nicht mehr manipuliert, sondern getragen wird.

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